Shihan Ochis Geburtstag

Samstag, der 29. Februar 2020 gegen 14 Uhr. Hideo Ochi wagt einen Blick durch die Tür der Rundsporthalle in Bochum. Ein stolzes Lächeln schimmert durch seinen Rauschebart, als er sieht, wer alles gekommen ist. Über 400 Karatekas aus ganz Deutschland: Schwarz- und Braungurte. Die Halle, in der locker zwei Linienflugmaschinen Platz gefunden hätten, ist bis zum Anschlag gefüllt mit Athleten in blütenweißen Gis. Vorhin haben sie noch Tsukis in die Luft gestoßen, jetzt blicken sie alle gemeinsam auf das Geburtstagskind, dem sie ihre Karate-Karriere zu verdanken haben. Ochi betritt die Halle und beugt seinen Oberkörper zu einem Gruß, was dazu führt, dass ein enthusiastischer, minutenlanger und donnernder Applaus losbricht. Die Euphorie ist ansteckend: Hideo Ochi bedankt sich mit einem Lachen, das in der ganzen Halle zu hören ist. Es war sein Geburtstags-Wunsch, dass all seine Schüler das machen können, was ihm schon sein Leben lang am Herzen liegt: Karate studieren und dabei Spaß haben.

Für Shihan Ochis Lehrgang ist extra ein Mann aus Tokio angereist. Tatsuya Naka, JKA-Instructor und einer der populärsten Karatekas der Welt. Über 9.000 km Weg hat er auf sich genommen. Vom legendären JKA-Hauptquartier bis nach Bochum. Naka ist unglaublich beliebt, nicht zuletzt wegen seiner Turnier-Erfolge, Spielfilme und Karate-Dokumentationen. Den ganzen Tag trainiert er Ochis Schützlinge und ruft sie immer wieder in einem Kreis um sich zusammen: „Die Gravitation ist die stärkste Kraft der Erde – und die wollen wir nutzen!“ ruft er in die Runde, um dann mit einem explodierenden Zenkutsu Dachi nach vorne zu preschen. Naka nickt in die Runde, lächelt und ermutigt die verblüfften Karatekas um ihn herum, es auch zu probieren. Nicht abstoßen, sondern sich von der Schwerkraft leiten lassen. Es klappt und Naka applaudiert: „Sehr gut – Das ist Budo-Karate!“ Nach nur wenigen Minuten steht fest: Tatsuya Nakas Charisma ist genauso mitreißend wie seine technische Brillanz.  Zwei Einheiten unterrichtet Naka, danach entfalten die Tsukis der DJKB-Athleten eine Kraft von Pflasterstein, die mit einer Kanone abgeschossen wurden. Also zumindest fühlt es sich so an… ein ganz kleines bisschen.

Wenige Stunden später hat Naka seine Gi gegen einen schwarz-grauen Maßanzug getauscht. Er sitzt mit Hideo Ochi und dessen Frau Tomie an einem gedeckten Tisch in der Henrichshütte in Hattingen. Hunderte Gäste sind mit ihnen in der Eventlocation. Violettes Scheinwerferlicht strahlt über die Tanzfläche, fein marinierter Fisch dampft auf Tellern, kühles Bier läuft stundenlang und im Sekundentakt durch die Zapfanlage. Der weltberühmte Zauberer Ryan Hayashi begeistert mit seinen Samurai-Schwert-Illusionen. Ochis Schüler Klaus Wiegend hat die Party und den Lehrgang monatelang geplant. Zusammen mit seinem Schüler Marcus Haack. Sepp Kröll, der Präsident des DJKB, erwähnt das mit großer Anerkennung in seiner Rede. Alle hier bedauern, das Klaus aus gesundheitlichen Gründen selbst nicht dabei sein kann. Kröll begrüßt alle Ehrengäste und verliert berührende Worte über Shihan Ochi. „Er ist ein unglaublich großzügiger Mensch“ erzählt Kröll. Er habe Karate in die ganze Welt getragen, oft auch ohne Honorar, gerade in die ärmeren Regionen dieses Planeten.  Eine unglaublich große Dankbarkeit erfüllt den Raum. Alte Weggefährten, Trainer und Instruktoren des DJKB, Tatsuya Naka und die vielen anderen Karatekas heben ihr Glas. Alles Liebe zum Geburtstag Shihan Ochi. Oss!

Autor: Joschka Heinemann